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Münchner Merkur 27.11.1998
Malve Gradinger

Roh und doch raffiniert, intellektuell und doch körperlich, chaotisch und doch komponiert – Samuel Rachls achterbahnige, metallene Treppenkonstruktion, im wortauswerfenden Auf- und Abstieg begangen von drei Akteuren. (…)
Wir, die Zuschauer, weggesperrt hinter rotpolstriger Einhegung, recken die Hälse, Augen an den belassenen Sehschlitz. Erspähen im silbrigen Zickzackgestänge Angela Dauber, Jan Schulz, Egmont Körner, im unermüdlichen, allmähliche schweißperligen Kletterakt, als schiffschaukelnde Körper-Fragmente: tretmühlende Füße, sehnige Waden, rot schwingendes Röckchen, korrekter Torso mit Krawatte, grau meliertes Haar. Jeder Bruchstück-Body völlig versenkt in seine auf-/abwärtstretende und redende Tätigkeit: ein Kanon aus Satzfetzen über anatomische, künstlerische und philosophische Probleme. Ein wirres Konzert aus keuchenden formulierten Gedanken, die sich nähern und wieder in die Unverständlichkeit entschwinden. „Bandscheibenvorfall“, „Arthrose“, „im Theater nicht miteinanderkommunizieren“ – was, wie, wer hat das gerade gesagt? Die drüben in ihrem identischen Edel-Pferch spitzen genauso die Ohren, während immer mal wieder ins fast undurchdringliche Wortgeflecht die drahtige Yoshiko Waki ihre hochsohligen Mondturnschuhe unten donnernd in die Peepshow-Arena stapft.
Zwischendurch Ermüdung der Peep-Glotzer. Zu monoton das Wortrauschen. Dann hängt Hirn sich wieder an ein glitzerndes Wort, reitet erneut mit auf diesem seltsamen Energiefluß. – Dem Duo Dauber & Rachl und weiteren „Mitdenkern“ ist eine peripatetische Performance gelungen, die Sound und Bildfülle unserer Medien-Welt in einen archaischen Theater-Prozeß zurücktransportiert.
Fotos  Alma Larsen